Mord im Orient-Express – farblos im Zug

Originaltitel: Murder on the Orient Express | Jahr: 2017 | Länge: 114 Min. | FSK: 12

Gestatten, mein Name ist Fabri, Mr. Branagh …

und ich habe Ihren Film Mord im Orient-Express gesehen.
Ich will nicht lange drum herum reden. Ich bin enttäuscht und verärgert. Und dabei bin ich voller Zuversicht und Vorfreude Richtung Kino losgelaufen.

Denn natürlich hat ein Film auch immer was mit der Verfassung des Rezipienten zu tun, ist doch klar. Bei mir waren die Voraussetzungen hervorragend.
Ich habe alle Poirot-Romane von Agatha Christies gelesen von Das fehlende Glied in der Kette über die Kurzgeschichten bis zum tragischen Ende in Vorhang. Und ich liebe sämtliche Verfilmungen, jede auf die eigene Weise. Kurz um, ich bin bekennender Hercule Poirot Fan, und nicht von der Art, dass ich sagen würde „nichts kommt an das Buch heran“, denn das finde ich nicht. Es gibt wunderbare Verfilmungen von dem Roman.
Nur Ihr Film, Mr. Branagh, war jetzt leider alles andere als fabelhaft. Und das ärgert mich, denn es hat ja lange genug gedauert, bis zu dieser Neuverfilmung und dann so was!
Wirklich, Mr. Branagh, das hätten Sie doch besser hinbekommen können.
Sie können doch Film! Was ist denn bloß passiert?
Und Sie hatten so großartige Schauspieler. Judi Dench, Penélope Cruz, Willem Defoe, Michelle Pfeiffer, Johnny Depp und Sie selbst waren ja auch dabei. Was für eine Traumcast! Und zugegeben Johnny Depp konnte als Einziger ein bisschen zeigen, was er kann. Die anderen wirkten farblos und ohne jegliche Tiefe. Und da konnten sie nicht mal was für. Die Figuren hatten keinen Raum um sich zu entwickeln, es gab keine Chance für Hintergrund, für irgendwas. Es war, als ob die Figuren überhaupt nicht richtig mitgespielt hätten! Ein Film ohne Figuren.
Die Hercule-Poirot-Romane leben doch von den Figuren, allen voran vom Detektiv selbst und dazu gibt es dann ein Potpourri der unterschiedlichsten Personen. Mal mehr, mal weniger skurril. Mord im Orient-Express ist ein Kammerspiel, es geht um Menschen, um Beziehungen, um Psyche. Dazu gibt es einen Schauplatz, eine Kulisse, die zwar schillernd schön ist, aber dennoch in der Handlung reduziert. Bei Ihrem Film leider nicht. Auch das Kammerspiel-Moment kommt nicht recht zur Wirkung, bleibt hinter sich selbst zurück. Dafür gibt es Kameraeinstellungen, die einfach so gewollt wirken und auf Teufel komm raus anders sein wollen, dass das Gegenteil bewirkt wird. Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Interessant, ist vielleicht noch das Nettestes was man dazu sagen kann.
Und wenn wir das alles mal für einen kurzen Moment vergessen und einen Blick auf den Kern werfen und uns die Handlung anschauen, dann muss man sagen, dass auch hier auf voller Linie versagt wurde. Die Lösung des Falls, das Kombinieren wurde überhaupt nicht recht in Szene gesetzt. Und am meisten ärgert mich, dass das Motiv des Films doch wirklich sehr spannend ist. Es geht um Selbstjustiz, Mr. Branagh! Das ist der Kern. In keinem anderen Poirot-Roman darf ein Mörder ungestraft davon kommen. Insofern ist es auch im Oeuvre Christie/Poirot ein besonderes Werk. Umso ärgerlicher ist es, dass das Screenplay geradezu furchtbar belanglos ist! Der Film ist langweilig und ohne jegliche Raffinesse, nicht mitreißend und nicht charmant.

Nichts für ungut, Mr. Branagh, aber ich empfehle, lieber einen der vielen anderen Mord im Orient-Express Verfilmungen zu schauen und auf diesen hier zu verzichten.