Van-Life – Teil 05

Fortsetzungsgeschichte von Blanche Fabri

„Praktisch, dass wir die Staffelei und die Tafel noch nicht weggeworfen haben, man weiß ja nie, wofür man das eine oder andere noch braucht.“ Sage ich mit einem Schmunzeln.

„Wollen wir jetzt zusammen ausmisten?”

Ich trinke meinen Kaffee aus und halte ihm die Tasse hin.

„Für den Kann-Weg-Stapel.“ Ich zücke mein Handy und ändere die Musik auf Road Trippin von den Red Hot Chili Peppers. Er strahlt mich an.

„Ich kann nicht den ganzen Tag da sein, ich muss noch Wein und Snacks einkaufen, heute ist Mädelsabend.“

„Bei uns?“ Ein leichtes Entsetzen schwingt in seiner Stimme mit. Hannes mag meine Freundinnen, aber nicht unbedingt alle zusammen. Da ist das Geschnatter einfach zu groß und der Lärmpegel zu hoch.

„Nein, bei Meike, aber ich bin mit Vino und Snacks dran.“

Den Mädelsabend versuche ich mit meinen drei besten Freundinnen, die ich tatsächlich fast alle noch aus der Schulzeit kenne, nur Keiko ist später dazugekommen, möglichst regelmäßig zu machen, das klappt natürlich nicht immer, aber alle zwei bis drei Wochen schaffen wir es. Eigentlich wechseln wir uns ab, aber seit Meike mit ihrer Familie in ein Haus gezogen ist, hat es sich irgendwie eingebürgert, dass wir uns bei ihr treffen. Ihr Haus ist schön und groß und liegt nicht am Stadtrand oder in der Vorstadt, wie bei anderen Freunden, die in ein Haus gezogen sind, wo man dann ewig hinfahren muss, sondern in einem Stadtteil, der sehr gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad zu erreichen ist, und da ihr Mann viel unterwegs ist, ist es für sie wegen der Kinderbetreuung am einfachsten, wenn wir zu ihr kommen. Und so ist es auch für heute Abend geplant.

Bis zum Nachmittag räumen Hannes und ich auf, die verschiedenen Stapel werden immer größer und es geht erstaunlich harmonisch zu. Vielleicht liegt es daran, dass ich versuche, so wenig wie möglich an den ursprünglichen Anlass zu denken und mir stattdessen einfach sage, dass jedes Ding, das wir wegwerfen, Platz für ein neues Ding schafft. Gute Perspektive.

Als ich abends bei Meike ankomme, bin ich die erste von uns. Wie immer hat Meike Snacks und Leckereien für uns vorbereitet.

„Ach Manno, diesmal bin ich für die Snacks zuständig, du musst dir nicht so viel Mühe machen.”

Ich überreiche ihr zwei Flaschen Wein und meine Alibi-Snacks, die ich am Nachmittag gekauft habe.

„Das macht keine Mühe, außerdem mache ich das gerne.“

Das stimmt. Meike geht völlig in der Gastgeberrolle auf. Nicht nur, dass sie alle Snacks selbst zubereitet, sie richtet sie auch noch wunderschön und kunstvoll auf Porzellantellern an, ich würde mich nicht wundern, wenn sie die Teller selbst getöpfert und bemalt hätte. Seitdem wir uns bei Meike treffen, hat sie jedes Mal, ungeachtet der Snackreihenfolge, irgendwelche Häppchen oder Kuchen für uns gebacken, und da wir anderen weder gerne viel Zeit in der Küche verbringen, noch besonders gut backen oder kochen können, hat es sich so eingebürgert, dass diejenige, die mit Snacks dran ist, einfach eine Lieblingssüßigkeit von Meike oder Meikes Kindern mitbringt, die dann in Meikes Süßigkeitenschublade verschwindet.

Meike hat vier Kinder, alle jünger als 6 Jahre. Zur Zeit ist sie noch in Elternzeit, sie arbeitet als Sachbearbeiterin bei einer Krankenkasse. Wie das passieren konnte, kann ich nicht verstehen, keine von uns kann das. Denn Meike ist der gastfreundlichste und fürsorglichste Mensch, den ich kenne, und sie kann hervorragend kochen, backen und bewirten. Das war schon immer so. Und sie hat einen ausgeprägten siebten Sinn und weiß immer als Erste, wenn es jemandem nicht gut geht. Ich hätte gewettet, dass sie in der Gastronomie oder Hotellerie landet, vielleicht Konditorin, Köchin oder Hotelfachfrau wird und später ein Café oder Restaurant eröffnet. Aber irgendwie ist sie bei ihrem Studentenjob hängengeblieben, inzwischen natürlich mit anderen Aufgaben und besserer Bezahlung, so richtig glücklich ist sie damit nicht, aber unglücklich auch nicht, sagt sie. Ich weiß nicht. Seit der Geburt ihrer Kinder ist sie seit fast 6 Jahren in Elternzeit und hat nur zwischendurch ein bisschen gearbeitet. Meikes Mann Walter arbeitet im Außendienst eines großen Baumaschinenherstellers in gehobener Position als Kundenberater, ist ständig auf Geschäftsreise und wenn er zu Hause ist, muss er arbeiten. Das hat dazu geführt, dass sich die beiden ein schönes Haus mitten in der Stadt leisten können. Allerdings sehen sie sich kaum, und eigentlich erzieht Meike die vier Kinder allein. Ab und zu lädt Walter zum Grillen ein, denn das ist sein Hobby. Er sagt dazu natürlich Barbecue. Dann zeigt sich, dass Meike und Walter perfekt zusammenpassen, denn beide sind gastfreundlich, liebenswert und charmant. Sie funktionieren wie eine gut geölte Maschine der Gastfreundschaft. Schade, dass sie nicht gemeinsam ein Hotel eröffnet haben, dann hätten sie im Sommer jeden Freitag einen Barbecue-Abend für die Gäste anbieten können und würden sich regelmäßig sehen. Das wäre doch was gewesen.

„Was ist los?”, unterbricht mich Meike in meinen Gedanken und ich bin froh, dass es gleichzeitig an der Tür klingelt. Ich hab’s ja gesagt, Meike hat den siebten Sinn.

Ich höre Keikos Stimme im Flur und freue mich. Bei uns ist die Reihenfolge immer gleich, denke ich. Ich bin die Erste, dann kommt Keiko und mit Verspätung trifft Lefke ein. Und wenn wir uns nicht bei Meike treffen, ist sie meistens vor mir da, weil sie noch etwas vorbereiten oder aufwärmen muss und deshalb schon mal ein Stündchen früher da ist.

Keiko kenne ich noch von der Uni, wir haben viel zusammen in der Mensa und in den Uni-Cafés rumgehangen. Sie ist vier Jahre jünger und hat sich schnell in unsere Dreierclique integriert und mittlerweile vergessen wir oft, dass wir sie nicht aus der Schulzeit kennen.

Keiko ist Anwältin, arbeitet in einer großen, angesehenen Kanzlei, seit der Geburt ihrer Tochter vor drei Jahren nur noch in Teilzeit und fast ausschließlich am Schreibtisch. Ursprünglich wollte sie sich mit einer kleinen Kanzlei selbstständig machen, aber inzwischen haben sich ihre Prioritäten geändert und sie hat diesen Plan verworfen.

Fortsetzung folgt …


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