Van-Life – Teil 03

Fortsetzungsgeschichte von Blanche Fabri

Eine Collage aus zwei Bildern: links ist ein VW-Bus in einer idyllischen Natur zu sehen, rechts ist der VW-Bus bei Regen und Matsch dargestellt

„Und wir könnten auch ein bisschen sparen, unsere Reserven nehmen und Sachen verkaufen. Das müssen wir dann noch überlegen.“

Sparen hört sich gut an, besonders weil es nach einer längeren Vorbereitungszeit klingt. So viel Durchhaltevermögen hat er meistens gar nicht. Außerdem kenne ich kaum Menschen, die weniger gut sparen können als wir. Wir sind die klassischen „Wir kaufen alles aus dem obersten Regal im Supermarkt“-Menschen, obwohl jeder weiß, dass da die teuersten Produkte stehen. Wir kaufen uns unterwegs gerne Kaffee, gehen auswärts essen, fahren gerne in den Urlaub und Lebensmittel kaufen wir im teuren Supermarkt, ganz einfach, weil der Discounter etwas weiter weg ist. Kurz: Wir sind irgendwie zu faul, um zu sparen. Und mal ganz ehrlich, wir verdienen beide gut, Hannes arbeitet bei einer Versicherung im Bereich HR und ich bin Werbetexterin in einer kleinen Werbeagentur. Wir verdienen gut und haben keine Kinder. „Double income, no kids“, sagt man doch so schön. Wir sind gut situiert und wissen es zu schätzen, dass wir ein privilegiertes Leben führen können.

„Sparen hört sich gut an“, sage ich deshalb schnell. „Wir könnten beispielsweise unser Fitness-Abo der Fitness-App kündigen und stattdessen einfach laufen gehen.“

Das Fitness-Abo haben wir gemeinsam vor eineinhalb Jahren abgeschlossen, weil wir die Idee hatten, dass wir mit so einer App viel motivierter für Sport sein würden. Die App vergibt Punkte und hat eine Challenge-Funktion, mit der die Ergebnisse gegenseitig geteilt werden. Hat die andere Person mehr Punkte als man selbst, informiert die App einen. Zugegeben, das war eine von meinen guten Ideen. Anfangs haben wir die App noch genutzt, aber dann wurde die Nutzung immer weniger. Da sind wir sicherlich nicht die Einzigen. Die Benachrichtigungen kommen allerdings immer noch, man kann sie nicht ausschalten, das ist Teil des App-Konzepts. So erhalte ich jeden Tag eine nervige Nachricht mit einem Postkartenspruch, beispielsweise: „Du kannst jeden Tag von neuem anfangen, dein Leben zu ändern“ oder: „Auch die längste Reise beginnt mit einem kleinen Schritt.“ Am schlimmsten ist, dass Hannes jeden Tag die Challenge gewinnt, weil er mit dem Rad zur Arbeit fährt, und ich mir jeden Tag von der App anhören muss, dass ich heute leider verloren habe. Die App ist nicht subtil. Seit eineinhalb Jahren werde ich täglich daran erinnert, dass ich zu wenig Sport mache und mich weniger bewege als Hannes. Das Abo kündigen geht auch nicht, weil: „Es sich dann wie das totale Versagen anfühlen würde“, sagt Hannes, und da gebe ich ihm irgendwie recht. Das Abo im Zuge einer Sparmaßnahme zu kündigen wäre ein Ausweg.

„Gute Idee“, sagt Hannes, und ich merke, dass er im Geiste überlegt, was noch einzusparen wäre. Ich sehe gleich noch eine Gelegenheit und fahre fort: „Wir könnten auch den Ledersessel verkaufen, ein paar hundert Euro würden wir dafür sicherlich bekommen.“ Der senfgelbe Ledersessel ist ein heikles Thema bei uns. Er gehört zur Kategorie „Beim Zusammenziehen müssen Kompromisse eingegangen werden“. Als wir zusammengezogen sind, gab es eine Reihe von Gegenständen, die wir vom anderen nicht mochten und um deren Wegfall dann gefeilscht wurde. Der senfgelbe Sessel war so ein Gegenstand. Schon vor unserem Zusammenziehen fand ich den Sessel einfach nur schrecklich. Ich weiß noch, dass ich zu Beginn unserer Beziehung einen Witz über den Sessel gemacht hatte und prompt Hanness „Hier hört der Spaß auf“-Gesichtsausdruck kennengelernt hatte. „Das ist ein Designerstück“, hatte er damals gesagt, und ich denke, dass ich mit meinem Witz nur so leicht davongekommen bin, weil er gerade frisch in mich verliebt war. Seitdem habe ich mir jegliche Bemerkungen verkniffen und beim Umzug nur erwähnt, dass wir mal überlegen müssen, wo genau der Sessel hinkommt, weil er farblich nicht so richtig zum Rest unserer – hauptsächlich meiner – Möbel passt. Das hatte er damals auch gesehen, aber die Zeit für die Trennung vom Sessel war da noch nicht gekommen. Vielleicht habe ich jetzt mehr Glück.

„Jetzt bist du aber ein bisschen zu schnell, wir müssen das ja alles erst in Ruhe überlegen und einen Plan machen.“

Ich bin schnell? Er hat die Koffer quasi schon gepackt und nun bin ich zu schnell?!

„Du hast Recht, das können wir später noch entscheiden“, sage ich, um die Tür noch einen Spalt offen zu lassen. „Die App deinstallieren wir jetzt aber gemeinsam, sozusagen als kleinen Start.“ Während ich mein Handy zücke und die lästige App endlich lösche, erstelle ich innerlich eine Liste von Dingen, die ich noch loswerden könnte.

Am nächsten Morgen wache ich mit einem mulmigen Gefühl auf, irgendetwas ist anders. Mit einem Schlag fällt mir die gute Idee von gestern wieder ein und ich wünschte, dass auch nur einmal eine schlechte Sache nur ein Traum war. Ich träume immer etwas Schönes, beispielsweise, dass ich eine Affäre mit Ryan Gosling habe oder endlich die Beförderung erhalte, auf die ich schon so lange warte. Dann wache ich auf und stelle fest, dass es nur ein Traum gewesen ist. Wieso ist das bloß so? Zum Ausgleich hätte doch wenigstens die gute Idee von Hannes nur ein Traum sein können, ein Alptraum voll von Mücken. Leider fällt mir nun wieder die ganze Misere ein. Den ganzen Abend hat er sich ausgemalt, wie wir mit einem Wohnmobil oder Wohnwagen – das müssen wir dann noch überlegen – durch die Welt reisen und welche Abenteuer wir dabei erleben – die vollkommene Freiheit!

Fortsetzung folgt …


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