Van-Life – Teil 06

Fortsetzungsgeschichte von Blanche Fabri

Keiko ist eine erfolgreiche Anwältin, in ihrer Kanzlei wurde sie schnell als neue Partnerin gehandelt, seltsamerweise passt das nicht so recht zu der Keiko, die wir privat kennen. Dort ist sie zerstreut, unordentlich und chaotisch. Sie ist bunt und flippig gekleidet und ich frage mich, ob ihre Anwaltskolleginnen und -kollegen sie überhaupt erkennen würden, wenn sie sie in ihrer Alltagskleidung auf der Straße sehen würden. Keikos große Leidenschaft ist die Kunst, sie ist sehr kreativ und hat ständig ein Bild oder eine Skulptur in Arbeit. In der Woche, in der ihre Tochter bei ihrem Ex, also dem Vater ihrer Tochter, ist, taucht sie manchmal in eine Art Kunstmodus ab, dann arbeitet sie am Montag und Dienstag in der Kanzlei und den Rest der Woche nur an ihrem Kunstwerk, dann ist sie nicht erreichbar und nicht ansprechbar. Keiko und ihr Ex haben sich auf das gemeinsame Sorgerecht für die Tochter geeinigt und ein wöchentliches Wechselmodell vereinbart. Eigentlich wollten sie das Nestmodell leben, haben es aber aufgegeben, weil sie einfach zu unterschiedliche Vorstellungen von Ordnung und Sauberkeit haben. Da gab es bei jedem Wechsel einen Riesenkrach. Jetzt haben beide eine eigene Wohnung und die Situation hat sich sehr entspannt.

Keiko hat eine Eigenart mit ihren Kunstwerken. Sobald ein Bild oder eine Skulptur fertig ist, hängt oder stellt sie es genau einen Tag in der Wohnung auf und bringt es dann auf den Dachboden zu den bereits vorhandenen Kunstwerken. Sie findet die Bilder nicht gut genug. Ich habe keine Ahnung von Kunst und kann das nicht beurteilen, ich finde viele ihrer Bilder schön, manche auch verstörend, interessant sind sie alle. Wenn es um ihre Kunst geht, ist Keiko beunruhigend unsicher, was wiederum im krassen Gegensatz zu ihrer Arbeit als Anwältin steht, wo sie vor Selbstbewusstsein nur so strotzt. In einer Weinlaune sagte sie mir einmal, das läge daran, dass sie als Anwältin zwar gut sei und es ihr auch Spaß mache, es ihr aber nicht wirklich etwas bedeute. Das ergibt Sinn, finde ich.

Lefke, die vierte in unserer Gruppe, hat weniger Verständnis für Keiko. Sie findet, dass sie ihr Talent verschwendet und kann nicht verstehen, dass Keiko ihre Kunstwerke versteckt, anstatt einfach mal eine kleine Vernissage zu organisieren, sie würde ihr auch dabei helfen. Immer wieder bietet sie ihr an, die Bilder doch einfach mal unverbindlich bei einer ihrer Veranstaltungen auszustellen. Doch Keiko lässt sich nicht umstimmen.

Lefke ist Eventmanagerin und leitet ihr eigenes Team. Sie ist karriereorientiert, arbeitet viel und hat auch sonst viel zu tun. Sie ist in verschiedenen Vereinen organisiert und sehr hilfsbereit, was zu all den zusätzlichen Aufgaben und Ämtern führt. Lefkes Kinder gehen schon zur Schule, der Älteste ist mit 13 Jahren mitten in der Pubertät, die Kleine ist mit 10 Jahren erstmal aus dem Gröbsten raus, sagt Lefke oft.

Mit Lefke ist es nicht immer einfach, sie ist zwar sehr hilfsbereit und irgendwie auch freundlich, aber auch immer abgehetzt, angespannt und leicht genervt, weil sie so viel zu tun hat. Eine für uns einfache Lösung des Problems, dass sie einfach weniger zusätzliche Aufgaben übernimmt, stößt bei ihr auf taube Ohren. In einer Weinlaune (ich scheine wirklich viel Wein mit meinen Freundinnen zu trinken!) habe ich sie einmal gefragt, ob sie nicht einfach einmal den Arm unten lassen könnte, wenn es wieder darum geht, eine Aufgabe zu übernehmen. Das erschien ihr absurd. „Irgendjemand muss es ja machen!“ „Aber nicht immer du.“ Ich glaube, Lefke jammert und opfert sich gerne auf, auch wenn es eigentlich niemand von ihr verlangt und erwartet. In ihrer Beziehung führt das oft zu Spannungen, genauer gesagt zu einem Dauerstreit mit ihrer Partnerin Sara. Sara ist Flugbegleiterin und dementsprechend viel unterwegs. Als Flugbegleiterin bringt sie eine große Toleranz gegenüber nörgelnden Menschen mit, das hilft in der Beziehung, trotzdem geraten die beiden immer wieder aneinander. Je mehr sie sich streiten, desto mehr Flugschichten übernimmt Sara, was wiederum zu mehr Streit führt. Eine Abwärtsspirale des Streits.

Heute kommt Lefke nur 10 Minuten zu spät und ist für ihre Verhältnisse guter Laune. Dementsprechend gemäßigt fällt ihr erster Kommentar aus, als ich von Hannes‘ Idee erzähle.

„Mit dem Wohnwagen durch Europa, wie bescheuert muss man sein!“

Irgendwie regt sich in mir immer ein kleiner Widerstand, wenn Lefke etwas Negatives über Hannes sagt. Sie hat ja recht, es ist eine blöde Idee und ich erwarte natürlich Zustimmung von meinen Freundinnen, vielleicht liegt es an ihrer Art, da schwingt etwas Überheblichkeit mit, auf die ich allergisch reagiere. Bevor ich etwas erwidern kann, mischt sich Keiko ein.

„Also, ich finde die Idee gar nicht so blöd, ich habe auch schon mal darüber nachgedacht. Entschleunigung – Freiheit – das Leben genießen …“ Jetzt fängt die auch noch an, denke ich. Und gleich bin ich wieder mit Lefke versöhnt, als sie Keiko ins Wort fällt.

„Moskitos – Dreck – kein gesichertes Einkommen – keine Rentenversicherung – Regen.“

„Wir waren auch schon mal mit dem Wohnmobil im Urlaub, als die Kinder noch ganz klein waren, das war eigentlich ganz toll“, sagt Meike und ergänzt.

„Müsst ihr denn gleich euer ganzes Leben umkrempeln? Reicht nicht erst mal ein Urlaub?“

„Nein, wohl nicht. Hannes sagt, man muss es gleich richtig angehen und keine halben Sachen machen.“

„Bescheuert“, wieder Lefke.

„Naja“, überlegt Meike.

„Warum denn eigentlich nicht?“, ermuntert Keiko.

Den Rest des Abends diskutieren wir die Idee, überlegen hin und her, wie es gehen könnte und wie nicht. Hören Geschichten von Meike über ihren Urlaub mit dem Wohnmobil. Um uns am Ende alle gemeinsam zu versichern, dass es nur eine fixe Idee von Hannes ist und bleiben wird.

Als alle gerade aufbrechen wollen, hat Keiko plötzlich noch eine Idee.

„Wie wäre es, wenn wir zu viert einen Campingausflug machen, als Mini-Probelauf sozusagen?“

„Bist du irre?“, entfährt es Lefke sofort.

„Interessant. Wie stellst du dir das vor? Passen wir denn alle in ein Wohnmobil?“, fragt Meike.

„Also ich übernachte bestimmt nicht in so einem Wohndings“, stellt Lefke klar und schenkt sich doch noch etwas zu trinken ein.

„Wir mieten uns ein Wohnmobil und fahren auf einen schönen Campingplatz mit Hotel. Meike und Lefke schlafen im Hotel und Annike und ich im Wohnmobil. Das wird toll!“ Keiko sieht die ganze Reise wohl schon vor sich.

„Ich weiß nicht. Warum denn? Das bestärkt Hannes nur unnötig in seiner Idee.“

„Also, ich finde die Idee super. Und Hannes kannst du hinterher sagen, dass du es ausprobiert und gemerkt hast, dass es nichts für dich ist!“, sagt Meike.

„Guter Punkt.“ Hannes ist viel leichter zu überzeugen, wenn man Dinge ausprobiert hat. Als Hannes mal unseren Sommerurlaub in Schweden als Survival-Trip im Wald planen wollte, hat mein Einwand, dass so ein Trip romantischer klingt, als er in der Praxis ist, nicht gefruchtet, aber als ich dann von einem Wochenende mit meinem Vater im Wald und vielen schrecklichen und langweiligen Erlebnissen erzählt habe, hat er nachgegeben. Und ja, den Ausflug mit meinem Vater hat es nicht gegeben.

„Meinetwegen“, sage ich. „Aber Meike und Keiko schlafen im Wohnmobil und Lefke und ich im Hotel.“

„Damit könnte ich leben“, grinst jetzt auch Lefke.

„Super, dann fange ich morgen gleich mit den Vorbereitungen an.“

Fortsetzung folgt …


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